Herausforderungen und Potenziale
Betrachtet man den Automobilmarkt in Europa und blickt auf Umfragen, warum sich Konsument:innen gegen die Elektromobilität entscheiden, so werden häufig die folgenden Gründe genannt:
Verfügbarkeit von günstigen Modellen,
unzureichende Ladeinfrastruktur,
geringere Reichweite von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen,
Intransparenz der Ladepreise und
Preisverfall von Gebrauchtfahrzeugen.
Dies sind jedoch alles Herausforderungen, die – wie am Beispiel China ersichtlich wird – gelöst werden können.
Preisstrategie
In China ist der Durchschnittspreis von Elektroautos bereits seit 2018 günstiger als der von Verbrennungsfahrzeugen, wohingegen in Europa derzeit Verbrennermodelle noch preiswerter sind als Elektrofahrzeuge. Dies hat zwei Gründe: Zum einen wurde die Elektromobilität in China stark subventioniert, zum anderen liegt es an der unterschiedlichen Marktstrategie der Automobilhersteller.
In Europa erfolgte die Einführung von Elektroautos nach dem Top-down-Prinzip, das heißt, zunächst wurden teure Modelle jenseits der 60.000-Euro-Marke angeboten, während kostengünstigere Varianten erst nach und nach auf den Markt kamen. In China gingen die Hersteller genau umgekehrt vor: Die ersten Elektroautos wurden im unteren Preissegment angeboten, dies erleichterte den Einstieg in die Elektromobilität für Konsument:innen, die Automobilhersteller konnten sich bereits früh über Skaleneffekte in der E-Auto-Produktion freuen – während der Markteintritt in die höheren Preisklassen erst später erfolgte.
Kostenpunkt Batterie
Der größte Kostentreiber eines E-Autos ist die Batterie, und genau dort sind die größten Kostensenkungen zu verzeichnen: 2013 lag der Preis pro Kilowattstunde noch bei 800 USD, während er inzwischen auf 115 USD gesunken ist. Eine 100-kWh-Batterie, wie sie in größeren Elektroautomodellen verbaut wird, kostete 2013 ca. 80.000 USD, wohingegen sie heute nur noch etwa 11.000 USD kostet.
Für 2026/2027 wird erwartet, dass der Batteriepreis erstmals die magische 100-USD-Marke pro Kilowattstunde unterschreitet. Ab dieser Grenze rechnet man damit, dass auch in Europa eine Preisparität zwischen Verbrennungs- und Elektroautos erreicht wird.
Ladeinfrastruktur
Mit über 2,6 Millionen öffentlichen Ladepunkten verfügt China über das weltweit größte Netz an Ladestationen. In den Ballungszentren ist die Ladeinfrastruktur so gut ausgebaut, dass es für Elektroautofahrer:innen kaum Schwierigkeiten gibt, einen Ladepunkt zu finden. Dies erleichtert den Alltag und nimmt eine der größten Sorgen vieler potenzieller Käufer. Darüber hinaus bietet China eine Vielzahl von Schnellladestationen, die es ermöglichen, Batterien innerhalb kurzer Zeit aufzuladen, was die Attraktivität von Elektrofahrzeugen zusätzlich steigert. Der konsequente staatliche Fokus auf die flächendeckende Infrastrukturentwicklung hat maßgeblich dazu beigetragen, die Akzeptanz der Elektromobilität in der Bevölkerung zu erhöhen. Ein gut ausgebautes Ladenetzwerk wie jenes in China dient als Modell, das auch andere Märkte inspirieren sollte, um die Elektromobilität voranzutreiben.
Batterielebensdauer
In der Batterietechnologie sind signifikante technische Weiterentwicklungen zu beobachten, die die Attraktivität von Elektrofahrzeugen erheblich steigern werden. Ein führender Hersteller garantiert bereits eine Batterielebensdauer von über 1 Million Kilometern, was nicht nur die Sorgen hinsichtlich der Haltbarkeit mindert, sondern auch die Gesamtbetriebskosten senkt. Zudem ermöglicht eine neuartige Zelltechnologie das Laden einer Batterie von 20 % auf 80 % in nur sechs Minuten – ein Tempo, das einem herkömmlichen Tankstopp bei Verbrennerfahrzeugen sehr nahekommt. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, Reichweitenangst und lange Ladezeiten, zwei zentrale Kritikpunkte an der Elektromobilität, deutlich zu entschärfen. Gleichzeitig wird damit die Alltagstauglichkeit von Elektroautos erheblich verbessert, wodurch sie zunehmend auch für Vielfahrer:innen und Flottenbetreiber interessant werden.
Preisverfall
Ein häufig diskutiertes Thema ist der Preisverfall von gebrauchten Elektroautos, der in Schlagzeilen zu Recht als Nachteil dargestellt wird. Doch auch hier zeigt das Beispiel China einen gegenläufigen Trend. Für Ende 2025 wird in China ein Marktanteil von 70 % bei den Neuzulassungen von New Energy Vehicles (NEVs) erwartet.
Mit dem rasanten Wachstum der Elektromobilität beschleunigt sich der Preisverfall von Gebrauchtfahrzeugen vor allem bei Verbrennerfahrzeugen, da sie zunehmend als veraltete Technologie wahrgenommen werden. Gleichzeitig stabilisieren sich die Preise für gebrauchte Elektroautos, da die Nachfrage nach modernen und emissionsfreien Antrieben weiter steigt. Diese Entwicklungen zeigen, dass der Preisverfall bei Elektrofahrzeugen nicht zwangsläufig ein dauerhafter Nachteil ist, sondern vielmehr eine Übergangsphase darstellt, die durch die Marktreifung und den technologischen Fortschritt überwunden werden kann.
Fazit
Alles in allem zeigt das Beispiel China, dass die aktuellen Herausforderungen der Elektromobilität mittel- bis langfristig lösbar sind.
Diese Erkenntnis stärkt unsere Zuversicht, dass sich die Elektromobilität mittel- bis langfristig auf allen Hauptabsatzmärkten durchsetzen wird.
Das Tempo dieses Wandels in Europa hängt jedoch wesentlich von den politischen Rahmenbedingungen und der Strategie der Automobilhersteller ab.
Elektromobilität als wesentlicher Baustein der Mobilitätswende
Der Verkehrssektor ist weltweit einer der Hauptverursacher von CO₂-Emissionen und verantwortlich für rund 25 Prozent der globalen Gesamtemissionen.
Autor
Markus Kronreif, Professional Fund Manager bei der Raiffeisen Kapitalanlage GmbH