Herausforderung Nahrungsmittelversorgung
Laut einem Bericht der Vereinten Nationen soll die derzeitige Weltbevölkerung von 7,9 Milliarden Menschen bis auf 11,2 Milliarden im Jahr 2100 anwachsen. Bis zu 37 % der Treibhausgase sind auf das derzeitige Ernährungssystem zurückzuführen. Heruntergebrochen auf den Fleischkonsum zeigt sich, dass nur 9 % unserer gesamten Ernährung durch Fleisch gedeckt werden, jedoch 43 % der ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen dem Fleischkonsum zuordenbar sind. Die Fleischproduktion steigt seit 1961 rasant an. Das zeigt, dass der Kampf für eine bessere Zukunft unter anderem auf unseren Tellern entschieden wird.
Das neue Fleisch?
Von pflanzlichem, kultiviertem Fleisch über durch Fermentation gewonnene Proteine bis hin zu neueren Zutaten, wie Mikroalgen oder Insekten, werden in der Lebensmittelindustrie neue Wege beschritten, um die Entwicklung von nachhaltigen, alternativen Proteinlösungen zu Fleisch voranzutreiben. Manche der pflanzenbasierten Proteinquellen werden schon seit Jahrhunderten konsumiert, wie z. B. Seitan (Weizenprotein), Tempeh (fermentierte Sojabohnen), Tofu und Jackfruit.
Bei den rein pflanzlich basierten Eiweißquellen wird aus Getreide, Gemüse oder Hülsenfrüchten das Protein isoliert und verändert, sodass sie Muskelsträngen ähneln. Pflanzlich gewonnenes Hämoprotein sorgt unter anderem – ähnlich wie der Blutfarbstoff Hämoglobin – bei den Fleischersatzprodukten nicht nur für das blutige Aussehen, sondern gibt auch einen fleischigen Geschmack. Bei den pflanzlichen Proteinquellen dominiert Soja den Markt, trotz wachsender Skepsis in Bezug auf Allergien, östrogene Wirkungen und gentechnisch veränderte Pflanzen.
Weitere Herausforderungen sind die starke Verarbeitung dieser Produkte in Kombination mit dem Gebrauch von zahlreichen Zusatzstoffen. Aus Nachhaltigkeitssicht ergeben sich gegenüber der herkömmlichen Fleischproduktion unter anderem Vorteile wie geringere Treibhausgas-Emissionen sowie verminderter Wasser- und Flächenverbrauch.
Eine weitere Entwicklung, in der finanzielles, ökologisches und gesundheitliches Zukunftspotenzial liegt, ist kultiviertes Fleisch. Unter kultiviertem Fleisch, auch unter den Synonymen In-vitro-Fleisch oder Clean Meat bekannt, versteht man im Labor gezüchtetes Fleisch. Hierzu werden aus Muskelgewebe oder Embryonen Stammzellen entnommen, expandiert und dann in Muskelzellen differenziert. Diese Zellen werden in einem Bioreaktor weitergezüchtet und später auf eine Matrix übertragen, um sie dann zu Muskelfasern und größerem Gewebe wachsen zu lassen.
Kritische Komponenten, die sich bei diesem Prozess herausarbeiten lassen, sind zum Beispiel die Nährlösung und das Trägergerüst, bei denen auf tierische Inhaltsstoffe zurückgegriffen wird. Das widerspricht der Vorstellung vieler Konsumentinnen und Konsumenten von einer Produktion ohne Tierleid. Für die kritischen Teilprozesse forscht die Wissenschaft derzeit an Alternativen.
DER WEG IN DIE ZUKUNFT?
Eine Studie der internationalen Unternehmensberatung Kearney zur Zukunft des Fleischmarktes prognostiziert, dass bis zum Jahre 2040 bereits 60 % des globalen Fleischkonsums durch alternative Proteinquellen abgedeckt werden. Auch im Rahmen des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission stellt die Erschließung alternativer Proteinquellen einen zentralen Forschungsschwerpunkt dar, der die Nachfrage der Bevölkerung, sich gesünder zu ernähren und gleichzeitig die Umwelt weniger zu belasten, adressiert. Eines ist sicher: Es zeichnet sich ein klarer Trend hin zu gesunder und nachhaltiger Proteinernährung ab. Diese Entwicklung transformiert die Lebensmittelproduktion und der Weg zu einem veränderten Konsumverhalten hin zu alternativen Proteinlösungen ist von Geschmacks-, Preis- und Akzeptanzhürden geprägt.
Lydia ReichReich, MBA CPM
Senior Fondsmanagerin bei der Raiffeisen KAG