Die großen Indexanbieter haben russische Unternehmen zwar weitgehend aus ihren globalen und regionalen Indizes entfernt, der Handel russischer Aktien für ausländische Investoren ist seitens Russlands so gut wie komplett blockiert und westliche Sanktionen bezüglich des Handels und Besitzes russischer Aktien, Anleihen etc. tun ihr Übriges. Zugleich weiß niemand, wie die Situation in einigen Monaten aussehen wird und die Ereignisse in Russland sowie in der Ukraine haben natürlich potenziell weitreichende Folgen für fast alle Staaten dieser Welt. Daher werden wir die Entwicklungen in Russland weiterhin verfolgen und kommentieren.

Wachstum trotz Sanktionen und Krieg

Russland hat laut Daten der Weltbank in der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Kaufkraftparität) im vergangenen Jahr sowohl Deutschland als auch Japan überholt und sich damit auf Rang vier der größten Volkswirtschaften der Welt geschoben – allerdings mit weitem Abstand hinter China, den USA und Indien. (Die Berechnung nach Kaufkraftparität bietet generell ein realistischeres Bild zum Vergleich der tatsächlichen Wirtschaftskraft als die meist übliche Umrechnung in US-Dollar zum aktuellen Marktwechselkurs.) Um rund 3,2 % soll Russlands Wirtschaft 2024 wachsen, schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF). Das wäre höher als in jeder westlichen Industrienation in diesem Jahr.

Kriegswirtschaft und Importsubstitution

Haupttreiber dafür ist der Krieg in der Ukraine und die Produktion der dazu nötigen Rüstungsgüter. Nicht zu vernachlässigen ist aber auch das fortgesetzte Wachstum jener Bereiche, in denen Russland bisherige Importe aus dem Westen durch eigene Fertigung ersetzt oder zu ersetzen versucht. Nicht wenige Analyst:innen im Westen meinen, dass Russlands Wirtschaft in große Probleme geraten wird, egal ob der Krieg (bald) endet oder noch lange andauert. Diese Sicht ist nachvollziehbar, unterschätzt aber möglicherweise, wie schnell und dauerhaft drakonische Sanktionen zum Aufbau eigener, dauerhaft lebensfähiger Industrien und Wirtschaftszweige führen können. Gut möglich, dass man die Robustheit der russischen Wirtschaft ein weiteres Mal unterschätzt. Nicht zu unterschätzen sind aber andererseits auch die anhaltenden und immer weiter verschärften Sanktionen seitens der USA und ihrer Verbündeten.

Neue Sanktionen mit großer Wirkung?

Zuletzt wurden hier vor allem sekundäre Sanktionen eingeführt bzw. verschärft, d. h. die Androhung von Maßnahmen gegen nicht-russische Unternehmen, die mit sanktionierten russischen Firmen oder Privatpersonen Geschäftsbeziehungen unterhalten. Vor allem Banken in China, der Türkei, Indien und in der Golfregion sollen auf diese Weise davon abgehalten werden, russische Exporte und Importe zu finanzieren oder Zahlungen dafür abzuwickeln. Diese Art von Sanktionen könnte Russlands Wirtschaft empfindlich treffen, sie kommen aber nicht unerwartet. Abzuwarten bleibt, inwieweit man in Russland in den letzten zwei Jahren Umgehungsmöglichkeiten oder Alternativen dazu entwickeln konnte. Bei Redaktionsschluss kündigte das US-Finanzministerium neue Sanktionen an, u. a. gegen die Moskauer Börse und weitere Finanzinstitutionen.

Börsenhandel von Euro und US-Dollar in Moskau eingestellt

Daraufhin wurde in Moskau der Börsenhandel von Euro und US-Dollar sowie von Finanzinstrumenten in Euro und US-Dollar eingestellt. Die russische Notenbank reagierte nach außen gelassen und versuchte Unternehmen und Privathaushalte zu beruhigen. Auch der russische Rubel zeigte sich zunächst wenig beeindruckt. Die russische Zentralbank stellte angesichts hartnäckig hoher Inflation (7,4 % p. a., bei einem Inflationsziel von 4 %) und einer möglichen neuerlichen Rubelschwäche aber eine mögliche Leitzinserhöhung im Juli in den Raum (von derzeit 16 % auf 17 oder 18 %).

Der Aktienmarkt in Moskau gab im Mai kräftig nach und fiel um über 7 % (in Rubel) bzw. 4 % (in US-Dollar). Anfang Mai musste der Energieriese Gazprom den ersten Verlust in einem Geschäftsjahr seit 22 Jahren berichten, was fast alle Marktbeobachter:innen überraschte. Vor allem der weitgehende Wegfall des europäischen Gasmarktes setzte dem Unternehmen massiv zu.

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