Die ökologischen Kosten von Flugreisen
Warum gelten Flugreisen als eine nicht nachhaltige Form der Fortbewegung?
Umweltseitig sind CO2-Emissionen, andere Emissionen, der mit dem Fliegen verbundene Lärm und die notwendige Landnutzung zu den wesentlichsten Argumenten der Kritiker:innen zu zählen. Der Luftverkehr ist für etwa 2–3 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, und das mit steigender Tendenz. Neben CO2 tragen auch andere Emissionen wie Stickoxide (NOx), Wasserdampf und Kondensstreifen zur Erderwärmung bei.
Fluglärm kann die Lebensqualität von Anwohner:innen in der Nähe von Flughäfen beeinträchtigen und gesundheitliche Auswirkungen haben. Und schließlich benötigen Flughäfen große Flächen und können zu Landnutzungsänderungen und Biodiversitätsverlust führen. Diese Problematik wurde unter anderem in der Diskussion über den Bau einer dritten Landebahn für den Flughafen Wien-Schwechat deutlich.
Brauchen wir den Luftverkehr?
Nicht alle Flugbewegungen erscheinen rational nachvollziehbar. Betrachtet man den eigentlichen Zweck und Hintergrund der Flugbewegungen, kommt zu den dargestellten Negativargumenten noch die Problematik der Billigflüge, ein hoher Anteil an Kurzflügen und hohe Anstiege im eigentlich nicht zeitkritischen Frachtverkehr.
Billigflüge führen zu einem Nachfrageschub für Flugdienstleistungen und genauso wie erhöhter Frachtverkehr zu mehr Flugbewegungen, was die genannten ökologischen Themen noch verschärft. Der früher auf einzelne Produktgruppen mit den Attributen hoher Wert, Dringlichkeit, Verderblichkeit und Temperaturempfindlichkeit beschränkte Frachtverkehr wird mittlerweile auch für den Transport von Billigware, wie etwa für chinesische Online-Händler, genutzt.
Neben E-Commerce ist auch das weltweite Lieferkettenmanagement, bei dem Unternehmen zunehmend auf Just-in-time-Lieferketten setzen, die eine schnelle und zuverlässige Lieferung von Komponenten erfordern, ein wichtiger Treiber des Wachstums im Bereich Luftfracht.
Alternative Verkehrsmittel im Vergleich
Im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln sprechen die Emissionen pro Kilometer, die Energieeffizienz und die Verfügbarkeit alternativer Verkehrsmittel gegen die Nutzung von Flugzeugen. Flugzeuge stoßen im Vergleich zu Zügen oder Bussen pro Passagierkilometer mehr CO2 aus, insbesondere auf Kurzstrecken.
Der CO2-Ausstoß bei Langstreckenflügen liegt in etwa bei 150 bis 200 Gramm pro Passagierkilometer und damit um rund 50 % unter jenem der Kurzstreckenflüge. Vor allem moderne Züge, insbesondere Hochgeschwindigkeitszüge, sind oft energieeffizienter und emittieren mit in der Regel deutlichunter 100 Gramm pro Passagierkilometer erheblich weniger CO2 pro Passagier als Flugzeuge.
Daher können für kurze bis mittlere Distanzen Züge, aber auch Busse oder Fahrgemeinschaften nachhaltigere Alternativen sein. Ein durchschnittliches Auto mit Verbrennermotor mit nur einem Insassen kommt auf einen CO2-Ausstoß von über 140 Gramm pro Kilometer, mit voller Besetzung – also angenommenen vier Personen – würde der Ausstoß pro Passagierkilometer dementsprechend auf ein Viertel sinken. Bei Elektroautos hängt der CO2-Ausstoß klarerweise stark von der Quelle des Stroms ab.
Bis 2050 könnte uns sogar eine Verdoppelung der Flugkilometer in der zivilen Luftfahrt ins Haus stehen.
Die Frage, ob Nachhaltigkeitsüberlegungen in Zukunft wirklich zu weniger Flugbewegungen führen können, ist schwer zu beantworten. Die Prognosen gehen in eine deutlich andere Richtung, bis 2050 könnte uns sogar eine Verdoppelung der Flugkilometer in der zivilen Luftfahrt ins Haus stehen.
Der Zugang zum Fliegen verstärkte sich zuletzt insbesondere in Asien rapide. Indien zählt zu den Ländern mit den höchsten erwarteten Wachstumsraten in den nächsten Jahrzehnten.
Die Faktoren, die für eine nachhaltigere Zukunft der Luftfahrt ins Treffen geführt werden können, umfassen technologische Entwicklungen, politische Maßnahmen sowie ein sich wandelndes Konsumverhalten von Verbraucher:innen und Unternehmen.
Neue Technologien
Auf technologischer Seite könnten Entwicklungen im Bereich von nachhaltigeren Flugkraftstoffen – sogenannten Sustainable Aviation Fuels oder „SAF“– eine Reduktion der negativen Umweltfolgen bewirken, ohne die Anzahl der Flüge zu verringern. Bei SAF handelt es sich um einen Treibstoff, welcher aus erneuerbaren Quellen wie Biomasse und Abfallmaterial oder mittels synthetischer Verfahren hergestellt wird.
Auch eine verbesserte Energieeffizienz ist in der Flugzeugentwicklung ein großes Thema. Zudem könnte die Verwendung von Elektroflugzeugen oder Flugzeugen, die mit Wasserstoff betrieben werden, positive nachhaltige Akzente setzen. Allerdings werden batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Flugzeuge in den frühen Stadien der Adoption wahrscheinlich wohl nur kurze Strecken fliegen. Technologische Fortschritte könnten dies auf ein paar tausend Kilometer ausdehnen.
Kerosinsteuer
Auf politischer Ebene könnten Maßnahmen zur Dämpfung der Nachfrage nach Flugreisen gesetzt werden, wie
die Einführung von strengeren Emissionszielen für die Luftfahrtindustrie oder
ein strengeres Steuerregime auf Kerosin und Flugtickets.
Der Besteuerung von Kerosin stehen internationale Abkommen entgegen. Als bekanntestes Beispiel gilt das Chicagoer Abkommen von 1944, das die Besteuerung von Treibstoff für internationale Flüge in den Vertragsstaaten prinzipiell verbietet, Ausnahmen sind aber möglich. Auf Ebene der EU gibt es zwar Diskussionen über die Einführung einer Kerosinsteuer, aber bisher ist Kerosin für internationale Flüge in den meisten EU-Ländern steuerfrei.
Internationale Abkommen
Auch internationale Abkommen wie das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) zielen darauf ab, die Emissionen des Luftverkehrs zu begrenzen. CORSIA verfolgt das Ziel, die CO2-Emissionen des internationalen Flugverkehrs auf dem Niveau von 2020 zu stabilisieren, und zwar unabhängig vom Wachstum des Luftverkehrs. Gemäß dieser Regelung müssen Emissionen, die über das Niveau von 2020 hinausgehen, durch Maßnahmen wie Emissionsausgleich oder den Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen kompensiert werden.
"Flugscham"
Auf Verbraucher:innenseite könnte ein wachsendes Bewusstsein für die Umweltauswirkungen des Fliegens dazu veranlassen, weniger zu fliegen oder nachhaltigere Reisealternativen zu wählen. Initiativen wie „Flugscham“ (Flygskam) in einigen Ländern fördern die Nutzung von Zügen anstelle von Flugzeugen für Kurz- und Mittelstrecken. Unternehmen könnten ihre Geschäftsreisen aufgrund von Nachhaltigkeitszielen oder Kosteneinsparungen reduzieren und stattdessen auf virtuelle Meetings setzen. Die mittlerweile verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung der großen europäischen Unternehmen sollte diesen Trend unterstützen. Dass Fluggesellschaften ihre Flugpläne anpassen, um effizienter zu werden und unnötige Flüge zu vermeiden, könnte vor allem vom Markt geregelt werden.
Urban Air Mobility
Das Thema Urban Air Mobility wird in den kommenden Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen und zur Realität in der Welt des modernen Flugverkehrs werden. Dabei handelt es sich um ein Verkehrskonzept, das den Luftraum über städtischen Gebieten nutzt, um Transportdienstleistungen für Menschen oder Güter bereitzustellen. Dies betrifft Airport-Shuttles, City-Lufttaxis sowie regionale Kurzdistanzen von bis zu 250 Kilometern zwischen großen Metropolen, bis hin zur flugautonomen Drohne. „Friedliche“ Drohnen können vor allem für das moderne Lieferservice bzw. den Paketdienst eingesetzt werden, insbesondere für zeitkritische Sendungen oder in Gebieten, die für Bodenfahrzeuge schwer zugänglich sind.
Fazit
Aus Sicht der Raiffeisen KAG muss, was die technologische Seite betrifft, die Entwicklung von umweltfreundlichen Flugzeugen, vor allem für die Kurz- und Mittelstrecke, durch Nutzung von alternativen Antriebstechniken wie Wasserstoffzellen, Wasserstoffverbrennungsmotoren und batterieelektrischem Antrieb sowie die Nutzung von SAF vorangetrieben werden, damit die globalen CO2-Einsparungsziele erreicht werden können. Dazu kommen in Österreich Themen der fairen Bepreisung und der bereits angesprochenen nicht argumentierbaren Steuerbegünstigungen, zum Beispiel was die Steuerfreiheit von Tickets für Auslandsflüge oder Kerosin betrifft. Neben dem Steuerthema sollte sich die Politik in Österreich auch zum Ausbau alternativer Transportmöglichkeiten wie dem Bahnverkehr bekennen und diesen aktiv vorantreiben.
Autoren:
Wolfgang Pinner, Leiter Corporate Responsibility und Christian Leinweber, Senior Investment Manager bei der Raiffeisen KAG